Institut für Schematherapie Marburg
Institut für Schematherapie Marburg

Therapeutisches Fallbeispiel: Monika S.

Monika S. ist 45 Jahre alt und Bürokauffrau. Bis vor 2 Jahren kam sie in ihrem Beruf recht gut zurecht, aber als ihr eine Beförderung angeboten wurde, reagierte sie mit einem Gefühl von Überforderung, starken Versagensängsten und Panikattacken. Frau S. wurde zunächst krankgeschrieben und danach auf Zeit berentet.

Frau S. sah sich in ihrem Leben häufig sehr hohen Anforderungen gegenübergestellt. Diese gingen vor allem von ihrem stark leistungsorientierten Vater aus. Neben seiner fordernden Haltung äußerte ihr Vater ihr gegenüber häufig entwertende Kritik, sodass Frau S. früh Gefühle von Unzulänglichkeit und Scham entwickelte. Dies führte zu Versagensängsten und einem Gefühl der Überforderung. Ihre zur Überbehütung neigende Mutter versuchte sie zwar vor Überforderung zu schützen, verhinderte dabei allerdings die Entwicklung eines Autonomie- und Kompetenzerlebens, da sie ihr verschiedene Aufgaben des alltäglichen Lebens immer wieder abnahm. Wenn Frau S. den Anforderungen des Vaters und der Schule nicht gerecht wurde, fühlte sie sich einerseits als Versagerin, anderseits bekam sie Schuldgefühle gegenüber ihrer Mutter, da sie es wieder nicht geschafft hatte, obwohl diese sich so sehr um sie sorgte.

Im erarbeiteten Modusmodell zeigt sich zusammenfassend immer wieder ein stark fordernder und strafender Elternmodus. Dieser aktiviert auf der emotionalen Ebene den Modus des überforderten Kindes mit Gefühlen von Versagen, Angst, Schuld und Scham. Auf der Bewältigungsebene reagiert Frau S. oft mit Unterwerfung oder Vermeidung (indem sie beispielsweise versucht, erst einmal allen Anforderungen bestmöglich gerecht zu werden oder sich aufgrund ihres starken Überforderungserlebens krank meldet).

Im Laufe der Therapie ergibt sich folgende Situation: Die Schwiegermutter, zu der Frau S. noch regelmäßig Kontakt hat, bittet sie sie spontan zu einem Zahnarzttermin zu fahren. Monika S. verschiebt dafür ihren eigenen Therapietermin. (Fordernder Elternmodus: Ich muss stets das leisten, was von mir verlangt wird, Bewältigungsmodus: Unterwerfung).

Bei der nächsten Sitzung entschuldigt sich Frau S. vielfach für die Terminverschiebung und macht sich Vorwürfe, dass sie es wieder nicht geschafft habe, „nein“ zu sagen und eine Versagerin sei (strafender Elternmodus). Auf die Frage hin, welche innere Haltung diese Gedanken repräsentieren, äußert Frau S. zögerlich die Vermutung, es handle sich wahrscheinlich um den strafenden Elternmodus. Der Therapeut bittet Frau S. sich auf einen separaten Stuhl zu setzen und zu formulieren, wie sie sich aktuell fühlt. Frau S. gibt aus der Sicht des überforderten Kindes an, sich als Versagerin zu erleben und Schuldgefühle zu haben, weil sie es wieder mal nicht geschafft habe. Nachdem sie auf den Stuhl des gesunden Erwachsenen gewechselt hat, wird deutlich, dass es Frau S. noch schwerfällt, Verständnis und Halt für ihre verletzbare Seite aufzubringen und sich von den fordernden Sätzen zu distanzieren. Daher nimmt der Therapeut auf der Seite neben Frau S. Platz und formuliert stellvertretend für die gesunde erwachsene Frau tröstende und haltgebende Sätze an die verletzte Seite; außerdem weist er den Inneren Forderer in die Grenzen. Mit dieser Hilfe gelingt es Frau S. selbst, einen kurzen Trostsatz an ihre verletzte Seite zu richten. Als Frau S. nochmals zurück auf den Stuhl des überforderten Kindes wechselt und dort den tröstenden Sätzen des Therapeuten und ihrer eigenen erwachsenen Seite nachlauscht, spürt sie ganz deutlich die Wärme, den Trost und den Halt.

In den folgenden Sitzungen lernt Frau S. in Bezug auf die Bewältigungsmodi Unterwerfung und Vermeidung, dass diese in ihrem bisherigen Leben durchaus hilfreich waren, um mit den Emotionen auf der Kindebene und den Anforderungen auf der Elternebene zurecht zu kommen. Im Erwachsenleben jedoch erweisen sich diese als zunehmend störend und dysfunktional. Der Anteil der gesunden Erwachsenen von Frau S. lernt so mit therapeutischer Unterstützung diese Bewältigungsmodi Schritt für Schritt außer Kraft zu setzen und die Handlungssteuerung zu übernehmen.

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